"Buongiorno - Guten Morgen. Es gibt viele Gründe, unsere Gäste willkommen zu heißen", eröffnete Michael Koch, Europaschulbeauftragter der MES, den Schulprojekttag und lenkte zugleich das Augenmerk auf die historischen sowie auch auf aktuelle Ereignisse. "Die Ereignisse der italienischen Heimat von Marzabotto im Jahre 1944 sind heute aktueller denn je", stellte Koch heraus. Hintergrund: In Marzabotto, eine Apeninnen-Gemeinde in der Nähe der italienischen Stadt Bologna in der Emilia-Romagna, fand Ende September 1944 das schlimmste Kriegsverbrechen deutscher Soldaten während des Zweiten Weltkrieges in Italien statt. Einheiten der 16. SS-Panzergrenadier-Division und der deutschen Wehrmacht zerstörten die gesamte Region und töteten knapp 800 Zivilisten, vorrangig ältere Männer. Erwachsene Männer im wehrfähigen Alter wurden nach Deutschland deportiert und zur Zwangsarbeit eingesetzt. Um das Verbrechen zu vertuschen, bezeichneten die SS-Treuen die Opfer des Massakers als "Banditen und Bandenhelfer".
Zeitzeugin Anna Rosa Nannetti war damals gerade mal 14 Monate alt und blieb nur durch die Stärke ihrer Mutter am Leben, wie das direkte Gespräch mit ihr zeigte. Lange recherchierte sie über ihre Vergangenheit und schrieb die Erinnerungen in dem Buch "Die Kinder von 1944 - Das Leben nach dem Massaker" nieder.
Nannetti wohnte mit ihrer Großfamilie in einem kleinen Ort, in der Nachbarschaft waren die SS-Patrouillen bereits zu Gange. Sie ermordeten Männer, Frauen und Kinder und zündeten am Ende deren Häuser an, um die Spuren zu verwischen. "Damals herrschte das ungeschriebene Gesetz, zehn italienische Zivilisten für einen getöteten deutschen Soldaten", sagte die Autorin und berichtete im Detail von der Zerstörung ihrer Familie. Soldaten stürmten am 29. September 1944 das Haus, rissen ihren Vater, die Großväter, Onkels und einen Cousin von den Frauen weg und hielten sie in einem Stall nahe der Kirche gefangen. Dort entschieden sie willkürlich, wer arbeitsfähig war und wer nicht. Während die Kräftigen ins Arbeitslager nach Deutschland gebracht wurden, blieben die anderen, zusammengepfercht in einer Zisterne, zurück bis zur Stunde ihrer Erschießung. Menschenunwürdig gequält mussten die Männer am Ende nackt einen Steg entlang gehen und wurden erschossen. Dann wurde die Zisterne mit Flusswasser gespült und die Spuren beseitigt.
Mit dem Kind auf dem Arm und dem Ziel "Florenz" flüchtete ihre Mutter zunächst mit einer größeren Gruppe in die Berge. Sie hörten von weitem Stimmen, dachten es seien deutsche Soldaten. Um nicht alle Flüchtlinge durch das Geschrei des Kindes in Gefahr zu bringen, trennte sich Nannettis Mutter von der Menge und lief mit der Tochter im Arm den fremden Stimmen entgegen. "Sie war eine gerechte Frau und hätte nicht mit der Schuld des Verrates leben können", räumte die Italienerin ein. Glücklicherweise fand die Flucht ein positives Ende: Sie trafen auf Alliierte und ein junger brasilianischer Soldat lächelte Mutter und Kind entgegen. "Das war für meine Mutter ein erster Lichtblick nach der langen, dunklen Zeit", rundete die Zeitzeugin und das berührte.