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2017

„Und wie ist das bei euch mit…?“

Text: Oberhessische Zeitung, Getraude Schlitt. Bildmaterial: Christine Schellhaas

Max-Eyth-Schu­le wagt neu­es Kon­zept zum Tag der Welt­re­li­gio­nen in der Jahr­gangs­stu­fe 11

 

Oberhessische Zeitung vom 15.02.2017

ALS­FELD (red). „Al­le Men­schen ha­ben ei­nen Zu­gang zu Gott, aber je­der ei­nen an­de­ren.“ Die­ses Zi­tat von Mar­tin Bu­ber war nur ei­ner von vie­len Ge­dan­ken, die man im Foy­er der Max-Eyth-Schu­le auf sich wir­ken las­sen konn­te. Ei­ne in­te­res­san­te und in­for­ma­ti­ve Aus­stel­lung zum The­ma Re­li­gio­nen un­ter­strich, wo­rauf an die­sem Tag der Fo­kus in der Als­fel­der Eu­ro­pa­schu­le lag: Die Welt­re­li­gio­nen wur­den be­leuch­tet. Zum elf­ten Mal ver­an­stal­te­te die Max-Eyth-Schu­le für die Schü­ler der Jahr­gangs­stu­fe 11 den „Welt­re­li­gio­nen­tag“, der wie Ab­tei­lungs­lei­te­rin Char­lot­te Falk in ih­rer Be­grü­ßung dar­leg­te, da­zu dient, Ver­tre­tern von Chris­ten­tum, Is­lam und Ju­den­tum Fra­gen zu stel­len, zu er­fah­ren, wie Men­schen ih­ren Glau­ben im All­tag le­ben, und da­mit die Vor­aus­set­zung für Ak­zep­tanz und To­le­ranz, für ei­ne Hal­tung ge­gen Hass und Angst zu schaf­fen.

Falk dank­te al­len Lehr­kräf­ten der Be­rei­che Re­li­gi­on, Et­hik und Po­Wi für de­ren En­ga­ge­ment bei den Vor­be­rei­tun­gen so­wie Ka­thrin Land­wehr von der Ka­tho­li­schen De­kan­ats­ju­gend­stel­le Als­feld, die in­halt­lich und or­ga­ni­sa­to­risch an der Rea­li­sie­rung des Be­geg­nungs­ta­ges mit­ge­wirkt hat. Land­wehr be­ton­te, dass die Fra­gen der Schü­ler und der of­fe­ne Dia­log mit den Ver­tre­tern der Re­li­gio­nen im Fo­kus stän­den. Als sol­che be­grüß­te sie für das Ju­den­tum An­ton An­ton­ia­di, Wolf­gang Hengst­ler und Thors­ten Schmer­mund von den jü­di­schen Ge­mein­den in Ful­da und Mar­burg, für den Is­lam Tür­kan Ot­kan, Ver­tre­te­rin des Ju­gend­ver­ban­des der Ge­mein­de Fat­hi Mo­schee Stadt­al­len­dorf, Ke­nan Gül­mez aus Stadt­al­len­dorf und Na­dya Hom­si aus Mar­burg. Für das Chris­ten­tum schließ­lich wa­ren Ka­plan Frank Blu­mers, Hol­ger Schäd­del, Ju­gend­re­fe­rent beim Evan­ge­li­schen De­ka­nat Als­feld, und Kris­ti­na Zu­ev-Schwarz, Mit­glied der rus­sisch-or­tho­do­xen Glau­bens­ge­mein­schaft, an­we­send.

Die Mo­de­ra­ti­on über­nahm Jo­han­na Gra­niez­czny. Sie prä­sen­tier­te die drei The­men­blö­cke, die über dem Tag stan­den: „Lie­be und Part­ner­schaft“, „En­ga­ge­ment in der Ge­sell­schaft und Ein­satz für Na­tur und be­wuss­te Er­näh­rung“ so­wie „Tod und Ster­ben“. In je­dem The­men­ge­biet dis­ku­tier­ten Ver­tre­ter al­ler Re­li­gio­nen mit den Schü­lern und es ent­wi­ckel­ten sich nach­hal­ti­ge Ge­sprä­che, nach­dem vor dem Start der The­men­run­den Schul­pfar­re­rin Christ­ine Schell­haas in das Pro­ce­de­re ein­ge­wie­sen hat­te: Ei­ne gu­te Stun­de ver­brach­ten die Schü­ler in den je­wei­li­gen The­men­grup­pen und spra­chen über Fra­gen wie die Be­deu­tung von Fa­mi­lie und Kin­dern bei­spiels­wei­se für Mus­li­me, es ging um die Rol­le der Frau – nicht nur im Is­lam, denn auch Ju­den- und Chris­ten­tum ha­ben da über­ra­schen­de An­sät­ze pa­rat, wie sich her­aus­stell­te.

Die jun­gen Er­wachs­enen lern­ten, was Ge­bets­rie­men im Ju­den­tum sind, sie er­fuh­ren, dass es auch un­ter den Mus­li­men Gläu­bi­ge gibt, die die Re­geln des Ko­ran we­ni­ger streng aus­le­gen, ge­nau­so wie im Ju­den- und im Chris­ten­tum. Sie ref­lek­tier­ten da­bei auch ihr ei­ge­nes Ver­hält­nis zu ih­rer Re­li­gi­on: Wel­che Rol­le spielt sie noch im All­tag der Schü­ler? Wie wich­tig ist die Re­li­gi­on bei der Part­ner­wahl? Und muss man ei­gent­lich re­li­gi­ös sein, um glau­ben zu kön­nen? Ganz aus­führ­lich hör­ten sie die Ge­schich­te ei­nes Man­nes, der nach reif­li­cher Über­le­gung und lan­ger Zeit vom Chris­ten­tum zum Ju­den­tum über­ge­tre­ten ist und der die Mei­nung äu­ßer­te, dass ei­ne Re­li­gi­on nicht im­mer der Mains­tre­am-Mei­nung ei­ner Ge­sell­schaft fol­gen müs­se.

Wel­cher Gott ist wohl barm­her­zi­ger, wel­cher stra­fen­der? Wel­che Bu­ßen gibt es und wie er­langt man Ver­ge­bung? Die an­ge­hen­den Ab­itu­rien­ten der Max-Eyth-Schu­le folg­ten dem Rat von Char­lot­te Falk und nutz­ten die Ge­le­gen­heit zu per­sön­li­chen und in­di­vi­du­el­len Fra­gen. „Wie ist das bei euch?“ war da sehr oft zu hö­ren, auch als es um die Kopf­tuch-Fra­ge ging. In der Tat äu­ßer­te sich ei­ne Ver­tre­te­rin des Is­lam da­hin­ge­hend, dass auch die Angst vor Dis­kri­mi­nie­rung mit ein Grund da­für sei, dass sie auf das Kopf­tuch ver­zich­te. Ein Ar­gu­ment, das auch vom jü­di­schen Ver­tre­ter an­ge­führt wur­de: Vie­le jü­di­sche Ge­mein­den rie­ten heu­te ih­ren Mit­glie­dern, die äu­ße­ren Zei­chen ih­res Glau­bens, bei­spiels­wei­se Zip­fel­quas­ten und Kip­pah, nicht zu tra­gen, um An­fein­dun­gen und Über­grif­fe zu ver­mei­den.

Auch der is­la­mi­sche Ter­ror war ein The­ma für die jun­gen Fra­gen­den. Für die Ver­tre­te­rin der Mus­li­me eher nicht: Ter­ror und Ge­walt hät­ten nichts mit dem Is­lam zu tun, der Is­lam bie­te kei­ne Er­klä­rung da­für – im Ge­gen­teil: Wer tö­tet, kommt nicht ins Pa­ra­dies.

Am En­de des Vor­mit­tags wa­ren sich die Schü­ler ei­nig: Sie hat­ten vie­le neue Er­kennt­nis­se ge­won­nen, die – ge­ra­de weil die Be­geg­nun­gen mit ganz nor­ma­len Glau­bens­ver­tre­tern statt­ge­fun­den hat­ten – aut­hen­tisch wa­ren und viel­schich­tig, ge­nau­so ei­gent­lich, wie die jun­gen Er­wachs­enen und ih­re Freun­de und Mit­schü­ler in ih­ren Fa­mi­li­en und ih­rem Um­feld ih­ren Glau­ben selbst le­ben – mal mehr, mal we­ni­ger en­ga­giert. Sie hat­ten vie­le Ähn­lich­kei­ten fest­ge­stellt und vie­le Un­ter­schie­de auch. Eben­so war Über­ra­schen­des da­bei. Ein Fa­zit aber war für al­le, dass Re­li­gi­on die Re­geln für ei­nen Le­bens­weg ge­ben kann, Halt und Si­cher­heit.

Das ver­än­der­te Kon­zept, Ver­tre­ter al­ler Re­li­gio­nen ge­mein­sam in ei­ner Grup­pe dis­ku­tie­ren zu las­sen, schien schon vor der Aus­wer­tung auf­zu­ge­hen: „Man spricht mit­ein­an­der und nicht über­ein­an­der“, so ei­ne Fests­tel­lung, „und es kom­men auf die­se Art wirk­lich vie­le gu­te Ge­sprä­che in Gang.“