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2012

Lernen für den Beruf durch "echten" Produktionsalltag

Fachtagung der Landesgruppe Produktionsschulen in der Max-Eyth-Schule

 

Oberhessische Zeitung vom 28.01.2012

(hek). Arbeiten statt büffeln, und dennoch in einem schulischen Rahmen etwas lernen. Produktionsschulen sind ein Modell, um Jugendlichen beim Übergang Schule-Beruf zu helfen. Bei der gestrigen Fachtagung der Landesgruppe Produktionsschulen war deren Umsetzungsperspektiven im ländlichen Raum und speziell im Vogelsberg das Thema in der Alsfelder Max-Eyth-Schule.

„Die Produktionsschule ist eine gute Möglichkeit Jugendlichen ohne Schulabschluss einen Anstoß für soziale Integration, Ausbildungs- und Bildungschancen zu geben“, erläuterte Claudia Galetzka, Leiterin der gastgebenden Schule und Sprecherin von Hessencampus Vogelsberg, das Interesse eine solche Schule im Vogelsbergkreis zu initiieren.

Wobei es sich nicht um Schulen im klassischen Sinn handelt, sondern um betriebsähnliche Bildungseinrichtungen, in denen die Freiwilligkeit der Jugendlichen sehr wichtig ist. Darauf verwies Professor Dr. Arnulf Bojanowski in seinem Eröffnungsreferat zur Fachtagung, das die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie für eine Produktionsschule im Vogelsberg zusammenfasste.

In den 23 Produktionsschulen, die es derzeit in Hessen schon gibt, stellen Jugendliche in sogenannten Produktionslinien Dinge her oder erbringen Dienstleistungen. „Dabei lernen die Jugendlichen durch den Produktionsalltag“, erläuterte Frank Schobes, Leiter einer Produktionsschule in Offenbach. Der normale Schulrhythmus mit den 45-minütigen Schulstunden und der Fächerorientierung wird dort aufgelöst. Dadurch würden auch diejenigen erreicht, die in den allgemeinbildenden Schulen keinen Abschluss erreicht oder die den Übergang von schulischer zu beruflicher Ausbildung nicht geschafft hätten.

„Es sind aber keine Schulen für Abgehängte, für das Prekariat, sondern hier sollen sich die Jugendlichen finden“, verwies Bojanowski auf die Vorbilderschulen in Dänemark. „Durch das Erleben der wirklichen Produktion erkennen die Jugendlichen den Wert der Arbeit und des Produktes“, zeigt Bojanowski die Wirkung der Produktionsschule, die er in einem Modellprojekt in Mecklenburg-Vorpommern untersucht hatte, auf.

Eine regionale Einbindung der Schulen sei wichtig, da die Produktionslinien an bestehende Praktikums- und Arbeitsplätze angelehnt sein müssen. Darauf verwies Boris Kreimeyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter Bojanowskis, da der Übergang in den regulären Arbeitsmarkt ebenso ein Ziel dieser Maßnahme sein müsse, wie die Möglichkeit einen Schulabschluss nachzuholen. Als Beispiele für den Vogelsbergkreis nannte Kreimeyer die Bereiche Pflege und Betreuung, barrierefreies Bauen oder historische Bautechniken sowie Tierhaltung oder Garten- und Landschaftsbau.

Wichtig für die Umsetzung einer solchen Bildungseinrichtung sei der Konsens der Bildungsträger in der Region. „Es darf keine Konkurrenz zu den Handwerkern entstehen“, waren sich Galetzka und Schobes einig.

Positiv beurteilte Claus Rauhut, Betriebsleiter der Neuen Arbeit, die Idee der Produktionsschulen. „Genauso haben wir die Neue Arbeit nach dem Modell aus Dänemark entwickelt.“ Viele der im Eröffnungsreferat angesprochenen Produktionslinien gebe es bei der Neuen Arbeit bereits: einzig die Freiwilligkeit der Teilnehmer sei nicht gegeben. Hier gebe es bereits Anknüpfungspunkte für eine Produktionsschule.

„Die deutschlandweit ersten Einrichtungen im Übergangsfeld Schule-Beruf sind 1992 in Hessen gegründet worden“, erläuterte Martin Mertens Vorsitzender des Bundesverbandes der Produktionsschulen. Allerdings gebe es noch großen Bedarf für eine Strategie, um ein gesichertes Modell zu schaffen. Bei allen regional unterschiedlichen Ansätze der Schulen, habe der Bundesverband einheitliche Qualitätsstandards festgelegt und vergebe ein Qualitätssiegel.

Bilder Thomas Schmidt Vogelsbergschule Lauterbach