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2008

"Stolpersteine für den Kopf und nicht für die Beine"

Heinrich Dittmar stellte den <br />Max-Eyth-Schülern seine <br />Ideen für ein "Stolperstein"-<br />Projekt in Alsfeld vor.

Vortrag von Heinrich Dittmar in der Max-Eyth-Schule

Pressespiegel: Oberhessische Zeitung vom 06.09.2008

ALSFELD (hek). "Das sind Stolpersteine für den Kopf und nicht für die Beine." Zeitgleich mit der Setzung der ersten Stolpersteine, die an ermordete Juden erinnern, im Vogelsbergkreis in Lauterbach, warb Heinrich Dittmar vor Alsfelder Abiturienten für diese Idee. Und er stieß dabei auf offene Ohren unter den Schülern der zwölften und dreizehnten Klassen der Max-Eyth-Schule. Allerdings betone er auch, dass man mit der Kritik an diesem Projekt, die unter anderem von Charlotte Knobloch, Vorsitzende des Zentralrats der Juden und Vorsitzenden verschiedener jüdischer Gemeinden geäußert wird, Ernst nehmen muss.
"Wenn gerade ihr Jugendlichen helft, dass wir menschlich miteinander umgehen, wäre das ein gutes Zeichen", hob Dittmar hervor, nicht zuletzt mit Blick auf seine eigene Schulzeit. "Wenn damals 1952/53 jemand auf die Idee für eine solche Veranstaltung gekommen wäre, hätte er keine Unterstützung bekommen", erinnerte er sich. Damals hätten die Lehrer entweder die Nase voll von der Geschichte des Dritten Reiches gehabt oder "sie hatten Dreck am Stecken". Erst sehr viel später sei er in Kontakt mit Juden, jüdischen Gemeinden und deren Geschichte gekommen. Dabei lernte er in Frankfurt Artur Strauss kennen, einen in Alsfeld geborenen Juden, der "mir beibrachte, wie wichtig es ist, die Opfer zu ehren".
Im Laufe der Jahre seiner Beschäftigung mit der Geschichte der Alsfelder Juden, stellte sich Dittmar wiederholt die Frage, welches Denkmal man ihnen setzten könne. "Die Idee des Kölner Künstlers Gunter Demnig fand ich von Anfang an sehr gut und habe der Stadt Alsfeld bereits vor zwei Jahren vorgeschlagen, ihr Einverständnis dafür zu geben." Die Zustimmung der Stadt ist nötig, da die Steine in den Gehweg vor den Häusern eingelassen werden, in denen die Opfer der NS-Zeit ihre letzte selbstgewählte Wohnung hatten. Da die Stadt Eigentümerin der Gehwege sei, muss sie zustimmen, auch wenn "sie sich finanziell nicht beteiligen muss", so Dittmar. Denn, wie er auf eine Nachfrage einer Schülerin erklärte, sollen die 95 Euro pro Stein durch Spenden aufgebracht werden. "Es haben sich bereits 20 Menschen bei mir gemeldet, die bereit wären einen Stolperstein zu spenden." Noch wartet Dittmar aber auf eine Antwort der Fraktionen der Alsfelder Stadtverordnetenversammlung, denen er sein Konzept vorstellte.
In Alsfeld hat der Historiker 22 Häuser ausgemacht, vor denen insgesamt 70 bis 80 Steine eingelassen werden könnten. Dittmar könnte sich eine Gruppe vorstellen, "die aus Schülern, Politikern und Vertretern der Kirche besteht, die das Organisatorische regeln könnte, wie die Daten und Angaben noch einmal zu überprüfen".
Der Künstler Gunter Demnig erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. Inzwischen liegen diese Stolpersteine in über 300 Orten Deutschlands, ebenso in Österreich, Ungarn und in den Niederlanden. "Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", sagt Gunter Demnig, der gestern in Lauterbach und Herbstein, erstmals im Kreis solche Erinnerungssteine einließ.
"Dort kann man dann auch sehen, dass die "Stolpersteine" eben in den Gehweg eingelassen werden, also nur zum Stolpern mit dem Kopf anregen", so Thomas Caspar, Organisator der Veranstaltung abschließend.

Quelle: Oberhessische Zeitung vom 06.09.2008