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2008

Jugendkonzentrationslager lange Zeit verleugnet

Blumen legten die Alsfelder Schüler <br />als Zeichen ihrer Anteilnahme nieder

Max-Eyth-Schüler besuchen Jugend-KZ Moringen

Pressespiegel: Oberhessische Zeitung vom 21.06.2008

ALSFELD/MORINGEN (oz). Im Rahmen des Europaprojekts "Nationalsozialismus und Holocaust" besuchten Schüler der Max-Eyth-Schule Alsfeld die Gedenkstätte des ehemaligen Jugendkonzentrationslagers Moringen bei Göttingen. Sie wurden von Mitarbeitern des Vereins "Lagergemeinschaft und Gedenkstätte KZ Moringen" durch das ehemalige Lager geführt und über die historischen Geschehnisse und ihre Hintergründe informiert.
Im Kern wurde das ehemalige Waisenhaus schon 1933 zum KZ umfunktioniert, zunächst für Männer, dann für Frauen und zuletzt für Jugendliche. Der Verein besteht erst seit 1989, die Gedenkstätte erst seit 1993. Heute befindet sich in dem Gebäudekomplex des ehemaligen KZs das niedersächsische Landeskrankenhaus, eine psychiatrische Klinik für Schwerkriminelle, wodurch eine Besichtigung des eigentlichen KZ-Bereiches weitgehend ausgeschlossen ist.
Die Gedenkstätte erinnert an das Schicksal der männlichen Jugendlichen, die in der Zeit von 1940 bis 1945 in diesen Gebäuden unter der Bezeichnung "polizeiliches Jugendschutzlager" eingesperrt waren. Als sogenannte "Asoziale" gebrandmarkt, waren sie gezwungen, über Jahre unter menschenunwürdigen Bedingungen zu leben und Zwangsarbeit unter anderem in einer Munitionsfabrik unter Tage, an Bahngleisen und Straßen oder in Privatbetrieben zu leisten. Sie waren dabei Folter und Willkür der SS-Wachmannschaft ausgesetzt. Nur wenige Jugendliche wurden wieder in die Freiheit entlassen. Oft wurden sie später in andere KZs verlegt oder an die Ostfront verfrachtet. Die Befreiung kam erst mit Kriegsende durch den Vormarsch der Alliierten.
Die Gründe für eine Einweisung in das Jugend-KZ waren vielschichtig: Die Verweigerung des Dienstes bei Hitler Jugend oder dem "Bund Deutscher Mädel" oder der Ausschluss aus einer der Organisationen, so genannte Arbeitsverweigerung, "Arbeitsbummelei" oder Sabotage, so genannte Unerziehbarkeit, Renitenz oder Kriminalität, "Sippenhaft", zum Beispiel bei politischen Vergehen der Eltern, die Zugehörigkeit zur "Swing-Jugend", Homosexualität und "sittliche oder sexuelle Verwahrlosung".
Unter "rassen- und kriminalbiologischen" Gesichtspunkten wurden die Jugendlichen eingruppiert und einzelnen Gebäuden zugeteilt. Manche wurden zwangssterilisiert. Etwa jeder Zehnte der rund 1400 Insassen hat die Zeit im KZ Moringen nicht überlebt. Die Jugendlichen sind in erster Linie an Unterernährung und allgemeiner Erschöpfung gestorben. Die Leichname der zu Tode gekommenen wurden des Nachts heimlich am Rande des Friedhofs in Moringen verscharrt. Seit 1993 erinnern Gedenksteine an die Opfer.
Die Bevölkerung Moringens sowie das niedersächsische Landeskrankenhaus lehnten lange Zeit das Erinnern an dieses historische Verbrechen ab. Die Existenz eines Jugendkonzentrationslagers wurde schlichtweg geleugnet.
An der Grabstätte legten die Schüler als Zeichen ihrer Anteilnahme Blumen nieder und gedachten in einer stillen Minute der Opfer.

Quelle:  Oberhessische Zeitung vom 21.06.2008