Pressespiegel: Oberhessische Zeitung vom 23.01.2007
ALSFELD (hek). Darf ein Mann einer verschleierten Muslima ein Kompliment machen? Dies war nur eine der Fragen, die Schüler der Max-Eyth-Schule (MES) an Vertreter von Islam, Judentum und Christentum stellten. Die Verständigung zwischen den Religionen, die sich nach Wunsch von Schulleiter Friedhelm Miebach auch im Hinblick auf die Schulkultur verbessern soll, war die Intention des Projekttages "Europa konkret - Religionen im Dialog - Beitrag zur Verständigung", der am 22.01.2007 stattfand.
In Zusammenarbeit mit Ralf Müller von der Fachstelle Bildung und Ökumene im evangelischen Dekanat Alsfeld und in Kooperation mit dem Alsfelder Ditib-Moscheeverein führte die MES diesen Projekttag für die zwölften Klassen der Fachoberschule durch.
"Wer über den anderen etwas weiß, ist sicher vor Vorurteilen", begründete Klaus Schache, Schulpfarrer und Fachsprecher Religion und Politik an der MES die Aktion zum Europatag. In Arbeitsgruppengesprächen konnten sich die knapp 180 Schüler mit Vertretern der drei abrahamischen Religionen - dem Judentum, dem Islam und dem Christentum - unter der Perspektive "Welchen Beitrag in meinem Leben und meinem Alltag leiste ich als aus meiner Religion heraus zu einem friedlichen Miteinander zwischen Menschen und Religionen.
Dabei konnten die Schüler zunächst im persönlichen Gespräch mit Vertretern der drei Religionen ihre eigenen Vorurteile überdenken. Denn oft sei das Wissen über die anderen Religionen ein Kennen der Fundamentalismen, erläuterte Schache. So verbinden die Schüler mit Islam vor allem den Islamismus, mit dem Christentum die Inquisition und Kreuzzüge und mit dem Judentum die israelische Politik gegenüber den Palästinensern, musste auch der Bildungsreferent des Dekanats erkennen. Um den interreligiösen Dialog möglichst frühzeitig anzuregen, beteiligte sich das Dekanat an dem Projekt. "Gerade in ethischen und religiösen Fragestellungen wird die Aufmerksamkeit der Schüler durch authentische und autobiographische Ansätze der Gesprächspartner erreicht.
Dies war auch an den Fragen zu spüren, die die Schüler sowohl in den Arbeitsgruppen aber auch im abschließenden Plenum an die Vertreter der Religionen hatten. Darunter waren Fragen nach der Rolle der Frau in den Religionen oder dem Ursprung der Religion allgemein ebenso vertreten wie religionsspezifische Fragen nach dem Verhüllungsgebot der Frau im Islam oder dem Zölibat in der katholischen Kirche. Aynur Yazici machte den Schülern gegenüber auch deutlich, dass an einem Kompliment eines fremden Mannes für eine verschleierte Muslima zwar nichts Verwerfliches sei, es aber von ihr persönlich als taktlos angesehen würde.
Gemeinsamkeiten und Differenzen über Religionsgrenzen
ALSFELD (hek). Sechs "Religionsvertreter im Dialog" stellten sich in der Max-Eyth-Schule gestern den Fragen der Schülern. Dabei zeigte sich auch, dass es in manchen Punkten zwischen den Religionen mehr Gemeinsamkeiten gibt als zwischen strenger und liberaler Auslegung ein und derselben.
Besonders für das Judentum wies Monika Bunk, Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde Marburg, auf unterschiedliche Interpretationen der Thora hin. Die orthodoxen Juden hielten sich mit ihrer Auslegung streng an alte Bräuche und seien im Gegensatz zu konservativen, modernen und liberalen Vertretern der Religion auch nicht dazu bereit, sie den modernen Gegebenheiten anzupassen. "Das Gebot am Sabbat kein Feuer zu machen übertragen sie auch darauf, keinen Lichtschalter zu bedienen, da es in der Frühzeit der Elektrizität dabei zu einem Funken kam", führte sie als ein Beispiel an.
Keinen Unterschied zwischen den drei großen monotheistischen Religionen - sie alle berufen sich auf einen Gott - gibt es darin, dass sie Gott als Schöpfer und den Menschen als von ihm separates Geschöpf ansehen.
Eindeutig ist auch die Ablehnung von Gewalt. "Gewalt ist kein Problem der Religion selbst, sondern der Fundamentalismen" machte Amnon Orbach, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Marburg klar. Und auch die Vertreterinnen des Islam betonten in diesem Zusammenhang, dass "manchmal der Mensch Gott spielt, obwohl es eigentlich nicht zu erklären ist."
Mehrmals hinterfragten die Schüler unterschiedliche Gebote der Religionen. So wurde das Warum des Verhüllungsgebotes oder des Verbotes Schweinefleisch zu essen im Islam ebenso hinterfragt wie Essensriten im Judentum. Doch ließen besonders die Vertreterinnen des Islam dabei keine Begründung zu, schließlich handele es sich dabei um Gebote Allahs, die der Mensch als Geschöpf Gottes anzuerkennen habe.
Gemeinsamkeiten entdeckten die Schüler auch im Frauenbild der Religionen. "Alle drei wurzeln in patriarchalisch geprägten Gesellschaften, so dass die Frau als Besitz des Mannes angesehen wurde", so Orbach. Darum wurde den Frauen, die Möglichkeit Funktionen in der Religion zu übernehmen, genommen. Im Christentum ist dies noch heute in der katholischen Kirche zu beobachten, wo Frauen keine Priesterämter ausüben dürfen. "Es gibt aber auch kleine protestantische Freikirchen, wo dies auch noch gilt", stellte Ralf Müller von der Fachstelle Bildung und Ökumene des Alsfelder Dekanats klar.
Fotos: M. Massier; Text: Oberhessische Zeitung vom 23.01.2007