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2006

Produktion 2006 des Oberstufenkurses 'Darstellendes Spiel'

Sinnsuche am Rand des Lebens

"No R Way today" - ein Theaterstück von Igor Bauersima - wurde als schulübergreifende Eigenproduktion des Oberstufenkurses 'Darstellendes Spiel' mit Schülerinnen und Schülern der Max-Eyth-Schule (MES) und der Albert-Schweitzer-Schule (ASS) wurde vom 05.07. bis zum 07.07.2006 in der Aula der ASS aufgeführt.

"No R Way today": Das ASS- und MES-Theaterstück arbeitet ein schwieriges Thema auf

Pressespiegel: Oberhessische Zeitung, 08.07.2006

ALSFELD (aep). Schon der Eintritt in den "Theatersaal" erscheint ungewöhnlich: Nicht das Publikum das Ensemble, sondern die Darsteller erwarten die Besucher, die sich auf großen, weichen Matten inmitten des Raums niederlassen können. Unbewegte Gesichter der Mimen in dämmrigem Licht um sie herum deuten an: Hier geht es um ein ernstes Thema, und gleich einer der ersten Sätze fasst das Thema zusammen: "Meine Nachricht ist für die, die sich umbringen wollen." So wie Juli im dem Stück "No R Way today", das Schüler der Max-Eyth- und der Albert-Schweitzer-Schule gemeinsam aufführten.

Kein geringeres Thema als die Frage nach dem Lebenssinn stand im Mittelpunkt dieser Aufführung nach Igor Bauersima, die Sungard Rothschädl zusammen mit einem Dutzend Schülerinnen und Schülern der gemeinsamen Theater AG einstudierte. So anspruchsvoll die Themenstellung, so einfach im Grunde der Handlungsfaden: zwei Darsteller, Juli und August, die sich gemeinsam das Leben nehmen wollen und dafür nach Norwegen fliegen, um sich von einer Klippe in den nächsten Fjord zu stürzen. Doch Sungard Rothschädl und ihre junge Darsteller-Truppe wählten für die Inszenierung quasi eine dreidimensionale Bühne: "Klippenränder" rund um das Publikum, auf denen "Juli" und "August" ihren Lebensüberdruss ausleben und sich dabei näherkommen.

Für die Sprünge von Bühne zu Bühne benötigten sie keine Flügel, sondern das ganze Dutzend der Darsteller teilte sich diese beiden Rollen, tauchte wechselseitig im Scheinwerferlicht auf. Was im ersten Moment schlicht nach Arbeitsteilung klingt, beinhaltete dramaturgisch den Pluspunkt, dass die Botschaft verallgemeinert erschien: Das hier geht uns alle an, denn jeder von uns kennt diese quälende Angst und diese drückenden Sinnfragen.

Ein Leben führen wie es die Eltern tun? Ein liebes, langes Leben lang in die Tretmühle, die andere uns bereiten? Ein unechtes Leben zwischen materiellen Ansammlungen und oberflächlichen Vergnügungen - ein ganzes Leben lang? Wer da nicht ins Grübeln gerät und schwermütig wird, so meinen Juli und August, der kann nicht echt sein. Oder wie der Junge sagt: "Wenn einer voll im Leben steht, kann ich sicher sein, das ist ein gefaktes Arschloch!"

Darum geht's: Um die Suche nach Echtheit, nach Sinn für sich. Weil Juli beides nicht mehr sieht, sucht sie einen Gleichgesinnten, um sich mit ihm gemeinsam das Leben zu nehmen. August, den dieselben Zweifel quälen. Man fliegt nach Norwegen, steht am Klippenrand und lernt sich nun erst kennen.

Über mehr als eine Stunde entspinnen die Protagonisten ein Wechselspiel aus Todessehnsucht und Todesangst, aus Ab- und Zuneigung, Verstocktheit und Offenbarung der Beiden - aufwändig in wechselndes Licht getaucht und am Ende von trickreicher Videotechnik unterstützt. Was das Publikum nicht sehen kann im Iglu-Zelt, zeigt eine Videokamera: Wie Juli und August sich näher kommen, sich küssen und entgegen des für ihren Abgang gewählten Drehbuchs letztlich lieben. Ein für alle Darsteller schwieriger Akt: Vor dem Videobild des leidenschaftlichen Zungenkusses im Zelt erzählen sie, wie es weitergegangen sein dürfte.

Die Videokamera spielt eine wichtige Rolle im letzten Akt: die Inszenierung beider Abschiedsworte vor laufender Kamera an die Eltern gerät zur Offenbarung voneinander, zur Selbsttherapie - lebhaft und leidenschaftlich von den Alsfelder Schülern gespielt. Am Ende, man ahnt es, weiß August nicht mehr, warum er eigentlich springen will. Er hat seinen Lebenssinn gefunden, sie auch. Den einfachsten, unerklärlichsten: Liebe und Nähe. "Ich will hier weg", sagt sie, und sie gehen nach Hause, Hand in Hand. Überzeugend gespielte Moral von der Geschicht': "Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt immer irgendwo ein Lichtlein her."

Quelle: Oberhessische Zeitung, 08.07.2006