Der Brief
Am 21.12.2004 wird im Hessischen Kultusministerium ein Brief verfasst, der sich an die Schulen in Hessen, die staatlichen Schulämter sowie an die gesamte Elternschaft richtet. In diesem Schreiben spricht sich die hessische Kultusministerin Karin Wolff für ein Rauchverbot an Hessischen Schulen aus mit dem Ziel "Kindern und Jugendlichen zu helfen, ein suchtfreies und gesundes Leben zu führen".
Das Gesetz
Das Gesetz, das das Rauchen an den Schulen verbietet, wird Ende November 2004 verabschiedet und tritt am 1. Januar 2005 in Kraft.
In §3 Absatz 9 Satz 3 des Hessischen Schulgesetzes heißt es: "Rauchen ist im Schulgebäude und auf dem Schulgelände nicht gestattet."
Der Hintergrund
Untersuchungen und statistische Erhebungen zeigen, dass sich die Problematik des Rauchens unter Jugendlichen und Kindern in Deutschland in den letzten Jahren verschärft hat. Nach einem Bericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vom 16.10.2003
- liegt das Einstiegsalter beim Zigarettenkonsum inzwischen bei 13,6 Jahren,
- verdoppelte sich die Zahl der rauchenden 12- bis 15-Jährigen von 1999 bis 2001,
- stieg die Zahl der rauchenden Mädchen von 10 auf 21%, bei Jungen von 9 auf 18%,
- hat, wer mit 15 Jahren zu rauchen beginnt, ein dreifach höheres Krebsrisiko,
- ist der Anteil der Raucher unter den Schülern und Schülerinnen an Schulen mit klaren Regeln zum Nichtrauchen und konsequenter Umsetzung niedriger.
Die Positionen
Keine Gesetzesänderung bzw. Neuregelung des Hessischen Schulgesetzes wird so kontrovers und lebhaft diskutiert wie das Rauchverbot an den Schulen. Im Folgenden werden einige Argumente Für und Wider aufgeführt.
Für
- Zigarettenkonsum bei Jugendlichen und Kindern ist extrem gesundheitsschädlich
- Ein Rauchverbot an Schulen kann als positives gesellschaftliches Signal verstanden werden
- Schulen haben eine gesellschaftliche Verantwortung
- Der sogen. Gruppenzwang, der bei vielen der Einstieg zum Rauchen ist, entfällt an den Schulen
- Da auch Lehrer nicht mehr rauchen dürfen, werden sie ihrer Vorbildfunktion gerecht
- Freiwillige Maßnahme zum Nichtrauchen sind an den Schulen gescheitert
- Lehrern und Schülern kann das Rauchverbot an den Schulen als willkommener Anlass dienen, mit dem Rauchen aufzuhören
- Was viele Betriebe und öffentliche Institutionen ihrem Personal, Besuchern und Kunden zumuten, kann man auch Lehrern und Schülern zumuten
- Nichtraucher werden geschützt und leiden nicht mehr unter dem Zigarettenqualm
- Das Schulgelände ist sauberer, da keine Zigarettekippen mehr auf dem Boden liegen
- Untersuchungen aus den USA und Kanada haben belegt, dass Rauchverbote an Schulen und die Kontrolle des Tabakkonsums tatsächlich zu einem Rückgang des Rauchens bei Jugendlichen führen
- Das Jugendschutzgesetz untersagt Jugendlichen unter 16 Jahren das Rauchen, was von einer großen Zahl von Jugendlichen nicht beachtet wird.
Wider
- Beim Rauchverbot handelt es sich um "Schaufensterpädagogik“, die sich gut verkaufen lässt, aber kaum realisierbar ist
- Lehrer können nicht auch noch die Aufgabe der "Raucherpolizei" übernehmen
- Das Rauchen wird auf die Straße verlagert, was zu erhöhter Unfallgefahr und Belästigung der Anwohner führt.
- Schulen sollten Konzepte auf freiwilliger Basis erarbeiten
- In Raucherecken für Jugendliche ab 16 Jahren ist die Situation kontrollierbar
- Die Schulen können kein gesamtgesellschaftliches Problem lösen. Es kann keine rauchfreie Schule geben, solange es keine rauchfreien Elternhäuser gibt
- Die Droge Tabak hat eine gesellschaftliche Akzeptanz, der Staat legitimiert sie und nimmt Steuern durch den Tabakkonsum ein
- Das Gesetz zum Rauchverbot ist demokratiefeindlich, rigoros und autoritär (Nebenwirkung des Gesetzes ist ein Demokratiedefizit)
- Raucher werden stigmatisiert (Häme) und an den Rand gedrängt
- Kommunikationsräume, die sich häufig unter Rauchern bilden, werden aufgelöst
- Mit dem Rauchverbot an Schulen wird ein gesellschaftliches Symptom bekämpft, was wenig sinnvoll ist, solange die Ursachen nicht behoben werden (eigene Anmerkung: in keinem Text war zu lesen, warum Jugendliche und Kinder vermehrt zur Zigarette greifen)
- Das Konfliktpotenzial an Schulen wird steigen
Ergebnisse einer Schülerbefragung (11. Klasse, berufliches Gymnasium)
Zwei von 24 Schülern geben an zu rauchen. Zehn Schülern ist das Rauchverbot egal.
Vier Schüler sind gegen das Rauchverbot, weil
- jeder selbst entscheiden sollte, ob er raucht oder nicht,
- es schwachsinnig ist und sich eh keiner daran hält,
- man niemanden verbieten sollte, seinen Interessen nachzugehen,
- es doch egal ist, ob ich auf dem Schulhof rauche oder nicht. So ist die Gefahr außerdem größer, dass etwas passiert.
Acht Schüler sind für das Rauchverbot, weil
- das besser ist,
- es keine Belästigungen durch den Rauch gibt,
- der Schulhof rauchfrei und sauberer ist,
- mich der Rauch, der Geruch und die Kippen auf dem Boden stören,
- ich nicht passiv rauchen will und außerdem gehässig bin,
- ich dann nicht mehr eingequalmt werde,
- das ständige Rauchen die Gesundheit einschränkt.
Die Umsetzung
Übergangsregelung
Die Schulen haben bis zum 31. Juli 2005 die Möglichkeit, schuleigene Konzepte zur Umstellung auf die neue gesetzliche Regelung zum Rauchverbot zu entwickeln. Das Kultusministerium schlägt für diesen Zeitraum vor, zunächst die Raucherecken auf dem Schulgelände abzuschaffen und eine Arbeitsgruppe "Rauchfreie Schule“, in der sich neben Lehrern und Lehrerinnen sowie der Schulleitung auch Schüler und Schülerinnen beteiligen sollen.
Motivierende Maßnahmen
Das Kultusministerium hat mit den Fachberatungen der Suchtprävention in den staatlichen Schulämtern Vorschläge, Anregungen und konkrete Angebote erarbeitet, um die Schulen auf ihrem Weg zur rauchfreien Schule zu begleiten (Auf dem Weg zur rauchfreien Schule – Ein Leitfaden für Pädagogen zum Umgang mit dem Rauchen). Motivierende Maßnahmen sollen der Förderung einer freiwilligen Verhaltensänderung dienen. Dazu zählen
- Informationsbroschüren in den Schulen
- Wettbewerb "be smart, don`t start"
- Einbringen des Themas Rauchen in die Klasse (Entwicklung eines Maßnahmenkataloges)
- Ausstiegshilfen für rauchende Schüler
- Disziplinarische Maßnahmen
Ab dem 31.Juli 2005 müssen Verstöße gegen das Rauchverbot sanktioniert werden. Dazu ist es zunächst wichtig, dass Konsequenzen eines Regelverstoßes allen Beteiligten klar sind.
Auch im Zusammenhang mit dem Rauchverbot sollten pädagogische Maßnahmen wie ein Gespräch mit betreffenden Schülern, eine Ermahnung oder die Beauftragung mit Aufgaben Vorrang haben, bevor Ordnungsmaßnahmen vom Ausschluss vom Unterricht für den Rest des Tages bis hin zum Schulverweis eingesetzt werden.
Umsetzung des Rauchverbotes an der Max-Eyth-Schule
Im Februar 2005 wurde die Arbeitsgruppe "Rauchen und Schule" unter der Leitung des Drogenbeauftragten Herrn Schache gegründet mit dem Ziel, ein von den Lehrkräften, der Schulleitung und der Schülervertretung gleichermaßen getragenes Konzept zu entwickeln. Es wurde ein Positionspapier erarbeitet, das eine überwiegend kritische Stellung zu dem Rauchverbot bezieht. Folgende Maßnahme wurde diskutiert und beschlossen:
Die Arbeitsgruppe stellte sich zunächst die Frage, was als Schulgelände (das per Gesetz rauchfrei sein muss) anzusehen sei. Schulgelände – so die Antwort – ist das Gelände, das beaufsichtigt wird. Es gibt also Randbereiche des Geländes, die nicht unmittelbar zum Schulgelände gehören. Dazu zählt der Eingangsbereich am Heizhaus, der von Rauchern genutzt werden kann.
Somit wird das Innengelände der Schule - also der Schulhof und der Aufgang zum Haupteingang - rauchfrei. Aufgestellte Metallbehälter sollen dazu auffordern, die Zigaretten vor dem Betreten des Schulgeländes zu entsorgen. Möglicherweise ist mit dieser Lösung ein Kompromiss gelungen, der die Einhaltung des Gesetzes ohne Imageverlust ermöglicht, gleichzeitig durch die Nische "am Heizhaus" den Konflikt mit den Rauchern entschärft.
Text: Dr. M. Becher