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2005

Begegnung mit französischer Schule, Arbeit und Kultur

Die Schülergruppe mit ihrem Lehrer <br />Bernhard Becker

Die Rückzugsfeder beim Scheibenausbau<br />

Hauben und Kotflügel dieses BMW sind aus <br />glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK)

Karosserie- und Fahrzeugbau-Auszubildende in Frankreich

Schüler der Landesfachklassen “Karosserie- und Fahrzeugbau” der Max-Eyth-Schule Alsfeld führten mit ihren Lehrern Bernhard Becker und Kurt Hummel eine Studienfahrt nach Montpellier/ Südfrankreich durch. Die Deutschlehrerin Nicole Hommez von unserer Partnerschule Lycee Professionnel Jean Mermoz (www.lycee-mermoz.net) in Montpellier unterstützte die Gruppe bei der Übersetzung und Planung. Die Studienfahrt war fachlich eingebunden in das Unterrichtsthema Arbeitstechniken, Arbeitsrecht und das Kennen lernen der französischen Kultur und der Völkerverständigung. Gleichzeitig diente die Fahrt dem Aufbau von Firmenkontakten, um gegenseitige Betriebs- und Schulpraktika zu ermöglichen und in die Wege zu leiten. Nach dem neuen Berufsbildungsgesetz können Teile der Ausbildung im Ausland absolviert werden. Die Fahrt wird mit Mitteln der Europaschule gefördert.

Die Struktur der von der Schülergruppe besuchten Betriebe gleicht in etwa der Größe und Organisation den meisten hiesigen Ausbildungsbetrieben. So konnte die Gruppe die gleichen Qualitätswerkzeuge bei Richtbänken oder Schweißgeräte erkennen mit denen auch bei uns gearbeitet wird. Die eingeklebte Scheibe wird auch mit einem dünnen Draht getrennt. Auf der Innenseite der Scheibe wird als Gegenhalter eine rotierende Feder an der Scheibe mit Saugknöpfen befestigt. Die rotierende Feder dreht sich bei der Demontage mit. Auf der Innenseite des Fahrzeuges ist keine zweite Person notwendig.

Der Betriebsinhaber einer mittelständischen Firma mit drei Facharbeitern und einem Auszubildenden antwortete auf eine Schülerfrage nach der Auftragslage in der Branche, dass sein Betrieb voll ausgelastet sei, und dass er weiterhin eine gute Nachfrage erwarte. Solche Äußerungen hört man bei uns eher selten.

Besonders beeindruckend für unsere Karosseriebauer war der Besuch in dem Lycée Meriterrene in Montpellier. Hier konnten die Schüler hautnah erleben, wie in Frankreich gelernt wird. Eine Spezialität der Schule ist der Pkw-Umbau zu Rallyefahrzeugen, wobei die Schüler nicht nur die Umbauten vornehmen sondern auch als Copiloten und Serviceteams an Rallyes teilnehmen. Der Auftraggeber muss eine lange Zeitspanne einplanen. Die Arbeitsstunde kostet dann nur 15 € an der Schule, in einer Firma ca. 50 €. Ein Geselle verdient ca. 1300 € pro Monat. Jeder Betrieb hat eine Ausbildungsabgabe zu leisten. Die Schule für diese Mittel sucht der zahlende Betrieb selbst aus.

Die Kultur kam nicht zu kurz. Gleich nach der Ankunft wurde die Stadt "Palavas les Flots" besichtigt. Bei einer Stadterkundung von Montpellier lernten die Schüler viel über die Vergangenheit der Stadt, die bis in die Römerzeit zurück reicht. Sehenswert hier auch das gut erhaltene Aquädukt.

Im Lycée Jean Mermoz in Montpellier hatten wir die Möglichkeit, unser Arbeitsrecht mit dem französischen Arbeitsrecht zu vergleichen. Der Arbeiter wird in Frankreich stärker geschützt. Es gibt kein Fristen beim Arbeitsgericht, bei uns drei Wochen. Kündigungsschutz hat jeder sofort, bei uns nach einem halben Jahr Arbeit und mehr als 5 Beschäftigte. Die Gewerkschaften sind nicht so mächtig wie bei uns. Ein Betriebsrat kann erst ab 10 Beschäftigte gewählt werden und in größeren Betrieben sind es drei bis vier Gewerkschaften, die sich oft uneinig sind. Die Streikbereitschaft ist dagegen in Frankreich sehr hoch. So wird zuerst einmal gestreikt und dann verhandelt, bei uns ist es umgekehrt. Diese Streikbereitschaft bestätigt auch das erkämpfte Referendum zur europäischen Verfassung, die in Frankreich sehr umstritten ist.

Auch die Franzosen haben Angst vor dem Zustrom von Billiglohnarbeitern aus Osteuropa nach Frankreich. Eine Firma aus Montpellier wird die Produktion nach Rumänien auslagern und hat ihren  Arbeitskräften einen Arbeitsplatz für 111 € pro Monat in Rumänien angeboten.

Vier Schüler würden gerne noch in diesem Jahr für eine Woche an dem praktischen Unterricht an der franz. Karosseriebauschule teilnehmen. Sie haben schon unterschrieben. Die Verständigungssprache ist dann Englisch. Die Max-Eyth- Schule wird diese Schüler unterstützen. Es stärkt das Selbstwertgefühl unserer Schüler gegen Gewalt, Drogen und Kriminalität.

Neben den Veranstaltungen hatten die Schüler ein umfangreiches Arbeitspaket zu den Themen fahrzeugbezogene Elektrotechnik und Arbeitsrecht sowie alte Zwischenprüfungsaufgaben waren zu bewältigen. Bereits am ersten Abend wurde das Unterrichtsthema vorgestellt und die Aufgabenstellungen (über 100 Aufgaben und ein Manuskript) verteilt. Der Unterricht fand am Vormittag und Nachmittags bis zum Abend statt. Dieser Programmteil schloss am Freitagmorgen mit einer Klassenarbeit ab. Danach folgte der Rückflug nach Frankfurt-Hahn.

Text und Fotos: B. Becker