Schulleiter Friedhelm Miebach (links) verabschiedet Norbert Weinig
Pressespiegel: Oberhessische Zeitung vom 22.07.2005
ALSFELD (pcf). 35 Jahre lang war er als Lehrer an der Max-Eyth-Schule tätig, fast 20 Jahre davon prägte er als ihr stellvertretender Leiter die größte Schule des Vogelsbergkreises. Gestern nun wurde Norbert Weinig in den Vorruhestand verabschiedet – und die Reaktion des Kollegiums zeigte, dass da ein besonderer Pädagoge der Alsfelder Berufsschule den Rücken kehrte: Gleich zweimal gab es stehende Ovationen für den "Fels in der Brandung des hektischen Schulbetriebs“.
Schulleiter Friedhelm Miebach sprach während der Feierstunde in der Aula der Berufsschule von der Wehmut, mit der ihn dieser Abschied erfülle. Miebach hob hervor, dass für den scheidenden Konrektor immer das Menschliche im Vordergrund gestanden habe: "Er hat immer zunächst einmal den Menschen gesehen und dann erst die Paragraphen." In einer Gesellschaft, in der es nur noch um die Ellenbogen gehe, habe das der Schule gut getan. "Norbert Weinig ist nicht dominant aufgetreten“, sagte Miebach, "das hätte auch nicht seiner Lebensweise entsprochen.“
In einem kurzen Rückblick schilderte der Leiter der Max-Eyth-Schule den "bunten Lebensweg" seines scheidenden Stellvertreters. Geboren wurde Weinig 1944 in Bad Nauheim, seine Kindheit verbrachte er in Schotten. Weinig absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Maschinenschlosser, an die er ein Ingenieursstudium anschloss.
Nachdem er als technischer Regierungsoberinspektor unter anderem im Reaktorbau beschäftigt war, entschloss sich Weinig Ende der sechziger Jahre dazu, in den Schuldienst zu wechseln. Nach einigen Monaten an der Lauterbacher Vogelsbergschule zog es ihn 1970 an die Max-Eyth-Schule, an der er seither tätig war. "35 Jahre an dieser Schule – das ist eine lange Zeit, in der du nicht gerastet hast und in der du nicht gerostet bist“, sagte Miebach. 1982 wurde Weinig Abteilungsleiter der Fachoberschule: "Damit war er einer der Väter dieser Schulform, die er über lange Jahre hinweg begleitet und intensiv mitgestaltet hat." Vier Jahre später erhielt Weinig den Posten des stellvertretenden Schulleiters.
Auch der Leiter des Staatlichen Schulamts für den Vogelsbergkreis, Christoph Fellner von Feldegg, fand lobende Worte für Weinigs Zeit an der Alsfelder Berufsschule: "Norbert Weinig hat sich in seiner Position sehr gut bewährt. Ich bin froh, dass er der Max-Eyth-Schule so lange treu geblieben ist." Bei den Mitarbeitern des Schulamts habe sich der "Alsfelder mit Leib und Seele" ein großes Renommee erworben; seine Korrektheit habe ihn ausgezeichnet. "Mit Norbert Weinig geht auch ein Stück alte Max-Eyth-Schule – und das wird mir fehlen“, sagte Fellner von Feldegg.
Für die Lehrerschaft bedankte sich der Personalratsvorsitzende Ralf Fei bei dem scheidenden Konrektor: "Mit seinen Charaktereigenschaften hat Norbert Weinig dafür gesorgt, dass die Arbeitssituation und das Lernklima an dieser Schule gut waren." Weinig habe etwa mit seiner hohen Präsenz im Lehrerzimmer dem Kollegium seine Verbundenheit gezeigt. "Seine unerschütterliche Geduld und seine ruhige Art waren ein Kapital, mit dem er so manchem Sturm getrotzt hat." Im Namen seiner Kollegen bedankte sich Fei dafür, "dass die Bürotür des stellvertretenden Schulleiters fast immer offen stand und er jederzeit ein offenes Ohr für drängende Probleme hatte." Rosemarie Schmitt hob Weinigs bescheiden Art vor: "Seine Devise war: Tue Gutes und rede nicht so viel darüber." Weinig habe 20 Jahre lang "den Laden am Laufen gehalten“, indem ihm Schüler und Lehrer wichtiger gewesen seien als das System Schule. "Im hektischen Schulbetrieb war er der Fels in der Brandung“, sagte Rosemarie Schmitt.
Der so Gelobte bedankte sich bei der Schulverwaltung und dem Kollegium für die vertrauensvolle Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren. Er verlasse die Schule mit einem ambivalenten Gefühl, sagte Weinig: "Einerseits verspüre ich Angst vor einer gewissen inneren Leere. Andererseits bin ich aber auch froh, endlich einmal fertig zu sein und nicht mehr dauernd mit tausend Gedanken im Kopf herumzulaufen.“
Weinig verglich in seiner Rede die Max-Eyth-Schule, an der er vor 35 Jahre zu unterrichten begonnen hatte, mit ihrem heutigen Zustand. Es sei bedauerlich, dass "die Zahl echter Lehrlinge in dualer Ausbildung dramatisch gesunken ist“, sagte der scheidende Konrektor. Die Reaktion auf diese Entwicklung, nämlich die Ausbildung immer weiter in eine Vollzeitschule zu verlagern, werfe die Frage auf, "ob wir heute überhaupt noch eine Berufsschule sind oder nicht eher eine allgemeinbildende Schule mit Berufsqualifikation“. Entgegen des "Job-Gedankens von hire und fire" bleibe der Beruf aber ein wichtiges Identitätsmerkmal des Menschen, betonte Weinig: "Und deshalb bleibt auch der Auftrag der Max-Eyth-Schule noch immer aktuell – nämlich Menschenbildung durch Berufsbildung.“
Text und Foto: Oberhessische Zeitung vom 22.07.2005, P. Fink